Zinskommentar 23-04-2010
Vorsicht – Griechenland-Krise treibt derzeit die Zinsentwicklung
Bessere Konjunkturindikatoren, gute Unternehmensergebnisse, steigende Inflationsraten – vieles hat in den vergangenen beiden Wochen für besorgte Mienen am Anleihemarkt gesprochen. Eigentlich müssten sich die Investoren auf baldige Leitzinserhöhungen in den USA und in Euroland vorbereiten und sich vorsichtshalber von langen Laufzeiten trennen. Eigentlich. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Bund-Future zeigt seit einigen Tagen neue Höchststände und die 10-jährige Bundesanleihe ist dabei, die 3,0%-Marke nach unten zu durchbrechen. Dafür gibt es nur einen Grund. Es läuft ein Ausverkauf von griechischen Staatsanleihen und die Investoren/Spekulanten setzen auf Bundesanleihen aufgrund der sehr guten Bonität. Gleichzeitig verkaufen sie aber im großen Stil auch Euros gegen Dollar. Seit die europäische Statistikbehörde die Defizitquote Griechenlands von 12,7% auf 13,6% korrigiert hat, gewinnt die Spekulation an Dynamik. Die Renditen für griechische Staatsanleihen liegen inzwischen bei über 8%! Schon am Wochenende könnte die EU gezwungen sein, finale Rettungsmaßnahmen einzuleiten, um einen völligen Ausverkauf zu verhindern. Aktuell hat Griechenland praktisch keinen Zugang mehr zu neuen Finanzmitteln am Markt. Das Geld zur Prolongation der fälligen Schulden wird also von der EU kommen müssen oder es bleibt nur die Einstellung der Zahlungen. Im Grunde genommen drücken die Spekulanten die EU an die Wand und erzwingen eine finale Aussage, wie sie dieses Desaster wirklich lösen möchte. Die Zeit der Phrasen und halbherzigen Bekenntnisse ist bereits jetzt vorbei. Entweder kommen nun klare Schritte oder die griechischen Titel sind nächste Woche zu 10% Rendite zu haben. Das Schlimme an der Situation ist, dass die Bundesanleihen nur kurzzeitig ein sicherer Hort sind. Denn kommt es wirklich zur befürchteten teuren Rettungsaktion für Griechenland, die dann wahrscheinlich rasch an die 100 Mrd. Euro gehen könnte, ist Deutschland der Hauptzahler. Und nicht nur das, die Karawane der Spekulanten wird weiterwandern und sich Spanien und Portugal zuwenden. Die echten Investoren werden das befürchten und so wird sich die nächste Welle aufbauen. Die potentiellen Kosten für Deutschland sind dann nur mehr schwer einzuschätzen. Bundesanleihen, die begeben werden, um Rettungspakete für halb Europa zu finanzieren, werden deutlich höher verzinst sein müssen als die heutigen. Die nächsten Wochen könnten daher von sehr starken Schwankungen am Zinsmarkt geprägt sein und Kunden sollten die aktuellen Ausschläge nach unten auf jeden Fall nutzen, um die historisch tiefen Zinsen zu fixieren.
Angesichts der skizzierten Szenarien empfehlen wir weiterhin, zumindest einen großen Teil der Finanzierungssumme über lange Zinsbindungen festzuschreiben und damit für Kalkulationssicherheit zu sorgen. Gefragt sind derzeit zum Beispiel sogenannte Volltilger-Darlehen. Dabei steht heute schon eine Rate über eine höhere laufende Tilgung fest, die nach 20 oder 25 Jahren zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens führt. Das Risiko, später zu deutlich höheren Zinsen eine Prolongation vornehmen zu müssen, wird damit schon heute ausgeschlossen. Baufinanzierungskunden müssen in Zeithorizonten von 20-30 Jahren denken, in denen sie monatliche Zahlungen leisten und sollten sich daher auf keine Spekulation einlassen, wenn die Wahrscheinlichkeiten schief verteilt sind. Grundsätzlich empfehlen wir, bei diesem niedrigen Zinsniveau eine Tilgung von mindestens 2% zu wählen, damit die Gesamtlaufzeit des Darlehens überschaubar bleibt. Der Wettbewerb unter den Banken führt weiterhin zu sehr attraktiven Konditionen über alle Laufzeiten die man nutzen sollte.
von Robert Haselsteiner (Gründer und Vorstand der Interhyp AG)
Zurück | Nach oben