Zinskommentar 04-03-2011
- Leitzinserhöhung überraschend in Aussicht gestellt
- Preissteigerungen bei Energie-, Rohstoff- und Finanzierungskosten
- Tendenz zu höheren Zinsen über alle Laufzeiten
Trichet sorgt für Wirbel am Zinsmarkt
Zur Überraschung der Marktteilnehmer hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag nicht nur klar und deutlich vor den Inflationsgefahren im Euroraum gewarnt, sondern auch eine Leitzinserhöhung schon für die nächste Sitzung im April in den Bereich des Möglichen gerückt. Damit hat er die Renditen am Anleihemarkt erst einmal kräftig nach oben schnappen lassen, nachdem sich in den Wochen zuvor eher eine Tendenz sinkender Renditen gezeigt hatte. Auf den ersten Blick erscheinen die Aussagen von Herrn Trichet logisch und im Sinne einer stabilitätsorientierten Geldpolitik der EZB nur konsequent. Fast möchte man sagen, Herr Trichet wollte damit bewusst zeigen, dass der Abgang von Bundesbankpräsident Axel Weber, den viele Beobachter ja als klaren Protest gegen eine zukünftig politisch opportun agierende Notenbank interpretiert haben, unbegründet ist. Also ein klares Zeichen an die Politik und an die Märkte, dass die EZB auch in Zukunft unabhängig von politischen Einflüssen agieren wird. Dazu muss man auch sehen, dass Herr Trichet am Ende seiner Amtszeit steht und nichts mehr zu verlieren hat. Auf jeden Fall möchte er als erfolgreicher und konsequenter Notenbanker in die Geschichtsbücher eingehen und nicht als derjenige, der die EZB der Willkür der Politik ausgeliefert hat. Aber gerade dieser Trichet war es auch, der gegen den Widerstand der Bundesbank und einiger anderer Traditionalisten das Ankaufsprogramm für Staatsanleihen gestartet hat und damit den eigentlichen Sündenfall aus Sicht Vieler verantwortet. Ist der jetzt eingeschlagene scharfe Ton also doch nur eine Maßnahme, um die eigene Reputation wieder zu verbessern?
Preissteigerungen bei Energie-, Rohstoff- und Finanzierungskosten
Klar ist, dass die zuletzt stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise und die gut laufende Konjunktur in einer Reihe von Ländern zu Preissteigerungen führt. Besonders in den BRIC-Ländern, die besonders dynamisch wachsen ist dieser Druck mit Sorge zu erkennen. Eine Hauptursache für die Dynamik in diesen Ländern liegt aber auch in der Dollar-Koppelung ihrer Währungen und damit im Import der Null-Zins-Politik der USA. Zinserhöhungen in der Eurozone werden daran nichts ändern, solange nicht auch die US-Notenbank auf einen restriktiveren Kurs einschwenkt. Davon ist aber vorerst nichts zu sehen. Die jetzige Ankündigung treibt vielmehr den Euro gegenüber dem Dollar und den anderen dollargebundenen Währungen nach oben und schwächt so die europäischen Wachstumsaussichten. Dazu kommt, dass der starke Anstieg der Energiepreise auch von der aktuell instabilen Lage in den nordafrikanischen und arabischen Ländern getrieben wird. Gegen diese Preistreiber können aber auch höhere Zinsen nichts ausrichten – im Gegenteil, sie erhöhen die Kreditkosten und führen zu noch mehr Preisauftrieb. Zu guter Letzt ist zu beachten, dass die Welt und auch Europa derzeit unter einer schweren Schuldenkrise leidet und daher jeder Anstieg der Finanzierungskosten zu einer weiteren Erhöhung der Defizite führt. Zinserhöhungen führen somit zu weiteren Spannungen im Eurogebiet, da besonders die schwachen Euroländer bereits an der Kippe zu Zahlungsunfähigkeit stehen. Aber auch in den noch als stark geltenden Ländern ist die Schuldenlage kritisch und schränkt bereits jetzt die Handlungsfähigkeit der Regierungen ein. Auch wenn Herr Trichet mit den Äußerungen von gestern den Finanzmärkten ein Zeichen der Berechenbarkeit und der Stabilitätsorientierung senden wollte, so muss man sich doch über das Timing wundern. Leitzinserhöhungen in Euroland schon im April erscheinen auf jeden Fall zu früh zu sein. Die Gefahr besteht, dass man sich von der Konjunkturerholung in Deutschland blenden lässt und vorschnell auf Bremsmanöver setzt während der große Rest Europas in einer strukturellen Krise verharrt und durch einen restriktiven Kurs der Notenbank behindert wird. Japan hat in den vergangenen zehn Jahren mehrmals diesen Fehler gemacht und ist damit immer tiefer in die Deflationsspirale geraten.
Tendenz zu höheren Zinsen über alle Laufzeiten
Ziel von Herrn Trichet ist es sicher auch, durch eine Erhöhung der kurzen Zinsen auch die Inflationserwartungen und damit die Risikoaufschläge für langlaufende Staatsanleihen zu kontrollieren. Gestern ist ihm das nicht gelungen. Die Märkte sind eher verunsichert worden, weil davon ausgegangen wird, dass es nicht bei einem Zinsschritt bleibt, wenn Trichet erst mal anfängt die Leitzinsen zu erhöhen. Wir gehen davon aus, dass diese Verunsicherung auch die nächsten Wochen anhalten wird und erwarten recht deutliche Schwankungen am Zinsmarkt mit einer Tendenz zu höheren Zinsen bei allen Laufzeiten.
Kunden empfehlen wir daher weiterhin die aktuellen Konditionen zu sichern und nicht auf größere Zinsrückgänge zu spekulieren. Im langfristigen Vergleich liegen die Baugeldkonditionen immer noch sehr günstig und ermöglichen den Einstieg in den Immobilienmarkt zu relativ geringen Finanzierungskosten.
von Robert Haselsteiner (Gründer und Vorstand der Interhyp AG)
Der Interhyp-Zinsexperte Robert Haselsteiner analysiert für Sie jeden Monat das Geschehen an den internationalen und deutschen Kapitalmärkten und erklärt dessen Auswirkungen auf die deutschen Baugeld-Konditionen. Robert Haselsteiner ist einer der Gründer der Interhyp AG. Vor dem Start mit Interhyp im Jahr 1999 war er mehr als 10 Jahre bei den Investmentbanken Salomon Brothers und Goldman Sachs in den Bereichen Kapitalmarkt und Zinsprodukte tätig.
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