Zinskommentar 02-03-2012
Zinsen bleiben vorerst historisch tief
- Schuldenschnitt trifft private Investoren
- EZB gibt Politik Flankenschutz
- Historische Chance zur Sicherung langfristiger Tiefzinsen
Schuldenschnitt trifft private Investoren
Auch in den vergangenen Wochen sind die deutschen Kapitalmarktzinsen historisch tief geblieben. Die Details zum Schuldenschnitt in Griechenland haben die Marktteilnehmer in ihrer Vermutung bestätigt, dass die Politik gerne zu Lasten privater Anleihegläubiger ihre eigenen Versäumnisse korrigiert. Investments in Staatsanleihen schwacher Euro-Länder sind daher, zumindest für private Käufer, sehr riskante Unterfangen. Denn im Gegensatz zum Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Europäischen Zentralbank (EZB), die im Griechenland-Desaster in ihrer Stellung als Gläubiger klar besser gestellt sind, trifft die privaten Investoren der Schuldenschnitt voll. Warum sollten private Anleger dann in Zukunft eigentlich schwächeren Ländern überhaupt noch Geld leihen? Das hält die Nachfrage nach deutschen Bundesanleihen vorerst hoch und damit die Renditen tief.
Die Ereignisse der letzten Wochen bestätigen das von uns schon mehrfach beschriebene Drehbuch zur Krisenbewältigung. Dieselben Politiker, die noch vor 18 Monaten private Investoren und Banken dazu aufgefordert haben, Griechenland zu finanzieren und auf die Prognosen von EU-Kommission und IWF in Bezug auf die Sanierungsanstrengungen der Griechen zu vertrauen, haben jetzt einseitig zu Lasten genau dieser privaten Gläubiger die Entschuldung Griechenlands gestartet. Das Ganze wird auch noch als freiwilliges Paket bezeichnet, obwohl es sich natürlich um einen klaren Fall von Staatsbankrott handelt. Dieses Muster wird weitergehen. Über die nächsten Jahre wird Land für Land, beginnend demnächst mit Portugal, auf diese Weise eine Schuldenreduktion versuchen - ohne die betroffenen Länder aus dem Euro-Verbund herauszunehmen. Da jedoch mit den begleitenden Sparpaketen die jeweiligen Volkswirtschaften völlig stranguliert werden, werden diese Schuldenschnitte am Ende doch nicht reichen und der Austritt aus dem Euro wird kommen.
EZB gibt Politik Flankenschutz
Der wichtigste Verbündete für die Politik ist inzwischen die EZB geworden. Vor Jahren noch undenkbar, war die EZB bzw. die Bundesbank doch bis dahin ein Regulativ der Politik und kein Handlanger. Mit der gestrigen Zuteilung von 530 Mrd. Euro für drei Jahre zu einem Zinssatz von 1% an über 800 Banken hat die EZB dem Patienten nach Dezember die zweite Dosis Morphium gespritzt. Damit hat die EZB den Banken mittlerweile mehr als 1.000 Mrd. Euro Liquidität praktisch umsonst zur Verfügung gestellt. Und wie schon im Januar werden sich viele dieser Banken dankbar erweisen, indem sie spanische, italienische und französische Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu drei Jahren kaufen und sich über die sicher verdiente Zinsmarge freuen. So kann man Staaten finanzieren, Zinskosten für diese Staaten senken und gleichzeitig seinen Banken zu mehr Gewinn verhelfen. Das klingt nach einem perfekten ‚Tischlein deck Dich‘ und genau so sieht das auch Präsident Sarkozy, der dieses Vorgehen mit Vehemenz gefordert hat. Wenn sich jemand fragt, wo denn diese 1.000 Mrd. Euro der EZB eigentlich herkommen – ja, die Antwort ist richtig: Sie kommen aus dem Nichts, sie sind einfach nur ein Eintrag in der Bilanz der EZB. Im Volksmund nennt man das ‚Geld drucken‘. Genau dieser Flankenschutz der EZB ist es, der die Politiker inzwischen trotz allem Stress der ewigen und mühsamen Rettungspaket-Verhandlungen wieder ruhig schlafen lässt. Der Vorrat an Morphium bei der EZB ist ja unbeschränkt und jetzt, wo wir wissen, dass dort jemand operiert, der gerne und jederzeit Morphium spritzt, kann man sich darauf verlassen. Aus der Medizin wissen wir, dass die Belastung des Körpers trotzdem irgendwann zum finalen Kollaps führt, auch wenn keine Schmerzen zu spüren sind.
Obwohl Frau Merkel in der internationalen Presse als die Eiserne Lady gezeichnet wird, die halb Europa mit ihrer Spardisziplin terrorisiert, sind die Weichen längst anders gestellt. Deutschland steht als einsamer Rufer da. Alle anderen großen EU-Länder wollen sich harte Reformen ersparen und werden versuchen, über eine Inflationierung das Problem der Staatsschulden an ihre Sparer und Gläubiger abzudrücken. Spanien und Italien werden diesen Weg gehen. England ist schon voll dabei mit Inflationsraten von 5% und Zinsen von 2%. Frankreich wird mit dem wahrscheinlichen Wahlsieg von Francois Hollande die ohnehin zaghaften Konsolidierungsbemühungen von Sarkozy genauso wie die von Deutschland geforderte Schuldenbremse kippen. Wenn die Achse Paris-Berlin unter Spannung gerät, dann startet die wirklich prägende Phase zur Zukunft des Euro. Derzeit sieht es so aus, als ob die großen Mittelmeerländer mit der EZB Deutschland isolieren könnten.
Historische Chance zur Sicherung langfristiger Tiefzinsen
Für den Immobilienfinanzierungskunden hat das vorerst noch positive Konsequenzen. Die Baugeldzinsen sind auf historisch tiefem Niveau festgezurrt, mit wenig Spielraum nach oben. Deutsche Staatsanleihen bleiben als Hort der Sicherheit gefragt und das drückt auch die Baugeldzinsen. Damit ist weiterhin der Baufinanzierungskunde in Deutschland der große Profiteur der Euro-Krise. Und die Immobilienpreise steigen in vielen strukturstarken Gebieten auch an. Ohne die Krise wären die Zinssätze in Deutschland, bezogen auf unsere eigene Konjunkturentwicklung, zumindest 2-3 Prozentpunkte höher. Diese historische Chance zur Sicherung langfristiger Tiefzinsen gilt es unbedingt zu nutzen, solange sie besteht.
von Robert Haselsteiner (Gründer und Vorstand der Interhyp AG)
Der Interhyp-Zinsexperte Robert Haselsteiner analysiert für Sie jeden Monat das Geschehen an den internationalen und deutschen Kapitalmärkten und erklärt dessen Auswirkungen auf die deutschen Baugeld-Konditionen. Robert Haselsteiner ist einer der Gründer der Interhyp AG. Vor dem Start mit Interhyp im Jahr 1999 war er mehr als 10 Jahre bei den Investmentbanken Salomon Brothers und Goldman Sachs in den Bereichen Kapitalmarkt und Zinsprodukte tätig.
Wir können auf mehr als 250 Banken zugreifen und erarbeiten gerne eine individuelle Lösung für Sie. Zur Analyse der eigenen Situation können Sie auch vorab die Rechner auf diesen Seiten nutzen. So bekommen Sie einen ersten Überblick.
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