Zinskommentar 03-02-2012
Zinsen scheinen vorerst auf tiefen Niveaus einzementiert
- EZB als Staatenfinanzierer und Bankensanierer
- Lösungsdruck für Griechenland wächst
- Baufinanzierungskunden profitieren weiter
EZB als Staatenfinanzierer und Bankensanierer
Während die europäischen Politiker wöchentlich von einem Krisenmeeting zum anderen stürmen und sich besonders die Situation um Griechenland immer stärker zuspitzt, verhält sich die Europäische Zentralbank (EZB) unaufgeregt und ruhig. Wenig ist derzeit von Herrn Draghi zu hören und das ist kein Zufall. Hat doch die EZB mit der Bereitstellung von rund 500 Mrd. Euro für drei Jahre zu einem Zinssatz von 1% an die europäischen Banken längst ihren Beitrag zur Abarbeitung der Krise geleistet. Längst hat die Notenbank mit ihren Prinzipien gebrochen und ist in das Geschäft der Staatenfinanzierung und der Bankensanierung eingestiegen. Kein Wunder also, dass die Refinanzierung von Spanien, Frankreich und Italien gerade im kurzen Laufzeitbereich in den ersten Wochen des Jahres plötzlich wieder zu niedrigeren Zinssätzen möglich war und auch erfolgreich verlaufen ist. Dank der billigen Refinanzierung durch die EZB ergeben sich für die Banken wunderbare Zinsüberschüsse. Indirekt finanziert also die EZB zusätzlich zu den offiziellen Aufkäufen von Staatsanleihen auch auf diesem Wege die Defizite der schwächeren Euroländer. Zumindest für Italien, Spanien und Frankreich hat das zu einer erheblichen vorläufigen Entspannung geführt. Ganz anders die Situation in den Top-Krisenländern Griechenland und Portugal. Dort haben die Marktteilnehmer bereits ihr finales Urteil gefällt. Griechische Staatsanleihen handeln je nach Laufzeit nur noch bei 20-40% ihres Nominalwertes. Das heißt, dass niemand mehr an die Rückzahlung zu 100% glaubt und inzwischen ein Schuldenschnitt von rund 70% unterstellt wird. Bemerkenswert ist nur, dass der mit wahrscheinlich rund 100 Mrd. Euro inzwischen größte Gläubiger, nämlich die EZB, sich an den Umschuldungsverhandlungen mit Griechenland gar nicht beteiligt und so tut, als ob sie ihren Einsatz, den sie bei den Aufkäufen der vergangenen zwölf Monate geleistet hat, wieder zurückbekommt. Im Kern baut sich allerdings in der Bilanz der EZB ein drastischer Abschreibungsbedarf auf, der am Ende von den Steuerzahlern in den Mitgliedsländern getragen werden muss. Spätestens am 20. März, wenn Griechenland 15 Mrd. Euro für eine fällige Staatsanleihe an seine Gläubiger überweisen muss, ist der Tag der Wahrheit. Diese 15 Mrd. Euro werden nämlich vom Rettungsfonds kommen müssen, kurz in Griechenland eingebucht, um dann sofort zum größten Teil wieder ins Ausland überwiesen zu werden. Nicht „die Griechen“ profitieren also von dieser Hilfe, sondern hauptsächlich die Anleihehalter im Ausland und die griechischen Banken, die diese Papiere halten.
Lösungsdruck für Griechenland wächst, Portugal nächster Krisenkandidat
Bis März muss es also eine Lösung zum Thema Umschuldung geben. Wichtig wird sein, ob Griechenland am Ende aber die Auflagen und Nebenbedingungen für diesen Schuldenschnitt akzeptieren kann und das Volk dies auch will. Ein überraschender Konkurs oder Austritt Griechenlands aus dem Korsett des Euros kann kommen, wenn sich die Positionen festfahren und Herr Papademos die Kontrolle über sein Land verliert. Um das zu verhindern, müsste die Politik final den großen Wurf machen, der aus vier Maßnahmen besteht: 1) drastische Entschuldung inklusive der Forderungen der EZB, 2) Euro-Quarantäne für Griechenland für 7-10 Jahre – d.h. Einführung einer Währung, die in einer bestimmten Bandbreite zum Euro mit einem deutlich tieferen Einstiegskurs handelt. 3) Investitionsförderung der EU für die Restrukturierung der griechischen Wirtschaft, 4) tiefgreifende Reform der griechischen Verwaltung und des Steuerregimes. Nach der Quarantäne würde dann eine Wiederaufnahme geprüft werden. Zu befürchten ist, dass alle bisher diskutierten Lösungen immer zu kurz gedacht sind und dem Land nicht helfen, die Probleme zu lösen. Beide Vorgehensweisen sind mit enormen Kosten für die europäischen Länder verbunden. Der zweite Weg würde aber zumindest die Chance auf Erfolg haben.
Der Lösungsdruck wird dabei von Woche zu Woche größer, da sich mit Portugal gerade das zweite Land anschickt, den „griechischen Weg“ zu gehen. Die portugiesischen Staatsanleihenzinsen liegen bereits nahe an 20% und das Signal der Märkte sagt jetzt schon, dass keine Hoffnung besteht, dass Portugal ohne Schuldenschnitt über die Runden kommt. Spanien könnte als Nächster unter Druck geraten. Die Politik der kleinen Trippelschritte, so wie sie derzeit von der europäischen Politik geübt wird, reicht längst nicht, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Womit wir wieder bei der EZB wären. Während die Politik wie ein angeschlagener Boxer von einer Ecke des Ringes in die andere taumelt, hat die EZB die Seile gespannt, die den Boxer vor dem Sturz bewahren und immer wieder in die Mitte des Rings zurückwerfen. Nullzinsen im Geldmarkt, Aufkäufe von Staatsanleihen, Refinanzierungslinien für die Banken, Manipulation der langfristigen Kapitalmarktzinsen – alle Register werden gezogen, um den Boxer im Ring zu halten.
Baufinanzierungskunden profitieren weiter
Für den Immobilienfinanzierungskunden hat das weiterhin nur gute Konsequenzen. Die Baugeldzinsen scheinen auf historisch tiefem Niveau einzementiert und haben nur wenig Spielraum nach oben. Deutsche Staatsanleihen bleiben als Hort der Sicherheit gefragt und das drückt auch die Zinsen für Baugeld. Damit ist vorerst der Baufinanzierungskunde in Deutschland der große Profiteur der Euro-Krise. Denn ohne die Krise wären die Zinssätze in Deutschland - bezogen auf unsere eigene Konjunkturentwicklung - zumindest 2-3 Prozentpunkte höher. Diese historische Chance sollte daher genutzt werden, solange sie besteht.
von Robert Haselsteiner (Gründer und Vorstand der Interhyp AG)
Der Interhyp-Zinsexperte Robert Haselsteiner analysiert für Sie jeden Monat das Geschehen an den internationalen und deutschen Kapitalmärkten und erklärt dessen Auswirkungen auf die deutschen Baugeld-Konditionen. Robert Haselsteiner ist einer der Gründer der Interhyp AG. Vor dem Start mit Interhyp im Jahr 1999 war er mehr als 10 Jahre bei den Investmentbanken Salomon Brothers und Goldman Sachs in den Bereichen Kapitalmarkt und Zinsprodukte tätig.
Wir können auf mehr als 250 Banken zugreifen und erarbeiten gerne eine individuelle Lösung für Sie. Zur Analyse der eigenen Situation können Sie auch vorab die Rechner auf diesen Seiten nutzen. So bekommen Sie einen ersten Überblick.
Zurück | Nach oben